Update

Es ist eine ganze Weile her, dass ich einen richtigen Eintrag geschrieben habe. Das liegt daran, dass ich in letzter Zeit immer ziemlich beschäftigt war. Mein chinesisches Leben nimmt immer mehr Fahrt auf. Ich will euch nur einmal kurz schildern, was mich in den letzten Wochen so beschäftigt hat.

Im Oktober hatten wir Freiwilligen unseren ersten Teaching-Workshop. Wir fünf Mädels aus Jiuquan sind also am Freitag in den Bus in das zwei Stunden entfernte Yumen gestiegen. Die Fahrt führte durch Steinwüste vorbei an dem größten Windpark der Welt! Die folgenden zwei Tage waren wir beschäftigt damit, zu lernen, wie wir unseren Unterricht verbessern können und wie wir am besten mit sehr großen Klassen umgehen können. Karin, die in der Gegend als Englischlehrerin am Teacher’s College angestellt ist und schon unser Einführungsseminar geleitet hat, unterrichtete uns. Außerdem haben wir Felix kennengelernt – der einzige Freiwillige, der an der Ostküste stationiert ist und nicht in Gansu. Yumen ist merklich viel kleiner als Jiuquan: Auf den Straßen ist viel weniger los und allgemein sieht man wenig Menschen. Dafür steht im Park ein großes Riesenrad!

Abschluss-Selfie im herbstlichen Schulhof in Yumen!

Kurz vor dem Workshop waren Julia und ich außerdem mit zwei Lehrern unserer Schule in die Provinzhauptstadt Lanzhou gefahren, um unsere Visumsverlängerung zu beantragen. Unser erstes Visum gilt nur für drei Monate. Für die Verlängerung muss man unter anderem eine medizinische Untersuchung durchführen lassen. Dafür gibt es in Lanzhou extra ein Physical Examination Center. Dort wurde mit uns das volle Programm durchgezogen: Sogar einen Ultraschall haben die Mitarbeiter dort bei uns durchgeführt. Um das Röntgen bin ich mit meinem deutschen Röntgenbild herumgekommen; bei Julia reichte es sogar, nur mit der Röntgenbild-CD herumzuwedeln. Mr Yang und Mr Wang kannten wir vorher nicht, und ihr Englisch war auch nicht besonders gut (bei Mr Yang beschränkte es sich auf ein bestimmtes „Let’s go“), aber die beiden ließen uns den gesamten Trip über nicht aus den Augen. Die Beaufsichtigung hatte aber auch ihr Gutes: Mr Yang und Mr Wang halfen uns, in einer kleinen Ecke einer Shopping-Mall große Outdoor-Rucksäcke aufzutreiben. In Jiuquan hatten wir zuvor vergeblich versucht, so etwas zu finden. In Lanzhou waren wir aber leider insgesamt nur einen Tag. Hin und her gelangten wir in einem superbequemen Schlafwagen.

Ende Oktober verbrachte ich außerdem einen Samstag in der Wüste. Badanjilin in der Inneren Mongolei ist definitiv einer der schönsten und atemberaubendsten Orte, die ich je gesehen habe. Die Sanddünen erstreckten sich ewig weit, der Himmel war tiefblau und wir liefen Düne um Düne hoch. Die Tour war organisiert worden vom Outdoorclub Jiuquan, dessen Mitglieder unter anderem Plastikschlitten eingepackt hatten. Mit denen konnte man prima die Dünen herunterrutschen. Hin und her waren wir in ein paar Jeeps und einem großen Bus gelangt. Mit einem großen Auto über die freie Wüste (es gab irgendwann einfach keinen Weg mehr) zu rasen, war beeindruckend – und zwar genau bis zu dem Punkt, an dem mehrere Autos und der Bus im Sand feststeckten. Abends schoben und zogen dann Menschen und andere Autos die Fahrzeuge größtenteils wieder aus dem Sand. Nur der Bus blieb auch nach stundenlangen Bemühungen scheinbar unwiederbringlich tief im Sand. Wie die Menschen vom Outdoorclub ihn schließlich befreit haben, würde ich gern wissen – das letzte Mal, das ich ihre Bemühungen gesehen habe, bauten sie gerade eine Art Straße aus Ziegelsteinen in den Sand. Es war auf jeden Fall ein abenteuerlicher Tag!

Die Wüstenlandschaft war so unwirklich! Aber das sind tatsächlich wir, die dort auf der Düne laufen.

Den Jeep zu schieben war tatsächlich erfolgreich. Nur der Bus steckte im Sand für Stunden.

Die Wüste macht mich glücklich :-).

Letzte Woche waren Midterm-Examinations. Das heißt für uns an der Mittelschule No. 6 zwar einerseits einige Tage ohne Unterricht, auf der anderen Seite müssen wir dann aber auch korrigieren: Multiple Choice, immer die gleichen Kombinationen. Auf unsere Frage, ob unsere Wertungen denn noch einmal kontrolliert würden und ob es denn legal wäre, dass wir  - die schließlich keine „richtige“ Lehrerausbildung haben – diese wichtigen Prüfungen korrigieren, ernteten wir von den anderen Lehrern nur erstaunte Blicke. Eine Lehrerin erklärte dann, dass die Korrekturen öfters auch durch andere Schüler erledigt würden. Außerdem ist es erlaubt, dass Lehrer interessierten Schülern ihre Ergebnisse schon während des Korrekturprozesses mitteilen. Beim Korrigieren erstaunt mich immer wieder das Leistungsgefälle zwischen den Schülern. Je nach ihren Ergebnissen werden sie Nummern zugeordnet – eine Art Ranking innerhalb der Jahrgangsstufe. Während die ersten sechzig, siebzig Schüler von den dreihundert der Stufe 9 ohne Probleme einen kurzen Text zu einem vorgegebenen Thema schreiben können, kopierten die letzten sechzig fast geschlossen einen thematisch völlig anderen Text aus dem Comprehension-Teil der Prüfung. 

Das größte Ereignis der letzten Zeit ist allerdings dieses Wochenende im wahrsten Sinne des Wortes über die Bühne gegangen: Unsere chinesische Organisation Amity feierte dreißigjähriges Jubiläum und ließ uns dazu extra nach Nanjing fliegen. Am letzten Donnerstag ging es deshalb für uns alle vom Provinzstädtchen Jiuquan in die riesige Stadt Nanjing an der chinesischen Ostküste. Dort erwartete uns ein volles Programm. Bedingung dafür, dass wir an den Feierlichkeiten teilnehmen konnten, war nämlich gewesen, dass wir uns am Programm beteiligen würden. Vor Ort stellte sich heraus, in welchen Dimensionen Amity sich das vorgestellt hatte: Wir nahmen im Tonstudio die „Ode an die Freude“ auf, übten gemeinsam mit chinesischen Theologiestudenten eine Choreografie ein und sangen „Groß ist unser Gott“. Die chinesischen Theologiestudenten waren super: Sie konnten Englisch und waren auch nach stundenlangen Proben noch motiviert zum Tanzen und Singen. Das konnte man von uns Freiwilligen nicht unbedingt behaupten: Nach einiger Zeit wurden wir etwas schwach. Das hing unter anderem mit der Choreografin zusammen – angeblich eine in China bekannte Schauspielerin. (Die hatte ein ziemliches Stimmenvolumen UND ein Mikrofon.)

Unsere Choreografie auf der Bühne. Leider lässt Jimdo mich nicht das Video der Performance hochladen.

Die chinesischen Studenten, die koreanischen und norwegischen Freiwilligen und wir haben uns ziemlich schnell ziemlich gut verstanden. Es war so schön, mit einigermaßen Gleichaltrigen richtig reden zu können!

Die Ode an die Freude wurde nicht nur von uns Deutschen gesungen, sondern auch von koreanischen und norwegischen Freiwilligen sowie den chinesischen Theologiestudenten. Wir eröffneten damit die Feierlichkeiten: Wir sollten mit dreißig leuchtenden Bällen winken und zur Musik schunkeln. Es wirkte wohl gut (bis auf das militärische „Turn left“ und „let’s go“, mit dem wir die Bühne verließen). War ich froh, als abends unser letzter Act vorbei war! Nach einer kurzen weiteren Belastungsprobe (die Choreografin sang freundlicherweise eine Peking-Oper. Lautstark. Ins Mikro.) konnten wir uns schließlich den wirklich wichtigen Dingen zuwenden (dem Rotwein zum Beispiel ;-)).

Romantisches Bälle-Schwenken bei der Ode an die Freude!

Am Sonntag waren wir morgens in einem chinesisch-englischen Gottesdienst. Den Nachmittag hatten wir frei. Ich machte mich in dieser Zeit mit ein paar anderen auf den Weg zum IKEA in Nanjing (verrückt, nicht?). Ich habe mir nämlich gerade zum Ziel gesetzt, mein doch recht kahles Zimmer etwas wohnlicher gestalten und mehr Stauraum zu schaffen. IKEA kam deswegen gerade recht (auch wenn ich die Pappbox-Bausets auf dem kompletten Rückweg in der Hand rumtragen musste, weil sie zu lang für den Koffer waren). Jetzt habe ich sogar einen Adventskalender!


Das war eigentlich alles, was in den letzten Wochen an Besonderem geschehen ist. Jetzt seid ihr jedenfalls alle wieder auf dem aktuellen Stand J. Mein Chinesisch ist zwar bei weitem nicht gut genug, entwickelt sich aber in eine erfreuliche Richtung. Und ansonsten hat sich mittlerweile ein Alltag eingespielt - irgendwie fängt es an, ein bisschen weniger neu und aufregend zu sein.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0