Eine Liebeserklärung

„Warum erzählst du immer so viel vom Essen?“ wurde ich in den letzten drei Monaten oft gefragt. „Macht ihr eigentlich auch noch etwas anderes?“

 

Warum erzähle ich so viel vom Essen? Vielleicht, weil ich noch nie so gut gegessen habe wie hier. Die chinesische Küche kennt unzählig viele Gerichte: Ob scharfer Hot Pot, Dumplings, baozi, Malatang, Beef Noodles oder eine schier endlose Vielfalt an dishes – jedes Mal, wenn wir in ein neues Restaurant gehen, fühle ich mich wie auf einer Entdeckungsreise.

 

 Vielleicht ist es, weil Essen in der chinesischen Kultur selbst einen so großen Stellenwert hat. Kaum eine Begegnung, die ich hier hatte, wurde nicht über einem guten Essen gemacht. (Tatsächlich weiß ich gar nicht mehr, wie sonst ich in Deutschland Leute kennenlernen würde.) Ein gutes Essen kann sich schon einmal über drei Stunden hinziehen und ist eine überaus gesellige Angelegenheit. Und es folgt stets festen Regeln: Der Gastgeber oder der Ranghöchste sitzt am weitesten von der Tür entfernt und beginnt, zu essen. Die Stäbchen dürfen auf keinen Fall frontal in den Reis gesteckt werden. Und wer sich zu Tisch in ein Taschentuch schnäuzt, ist gedanklich wohl noch in Deutschland.

 

Vielleicht erzähle ich so viel vom Essen, weil wir mittlerweile auch in der Wohnung fast ausschließlich mit Stäbchen essen und literweise Öl und Sojasoße in jedes Essen kippen. Weil es für mich ein solcher Triumph ist, Gerichte nicht mehr bú là (nicht scharf), sondern nur noch wēi là (ein bisschen scharf) bestellen zu müssen. Weil ich mich aber auf der anderen Seite bei Glühwein, Schokolade und Plätzchen wie zuhause fühle.

 

„Du bist, was du isst“, sagt man. Nie war das so wahr wie hier. Daher jetzt für euch der Crashkurs Chinesisches Essen:

 

Lanzhou Beef Noodles:

Spezialität aus Gansu, Lieblingsessen von mindestens siebzig Prozent meiner Schüler - ehrlich gesagt verstehe ich nicht genau, warum alle hier so überzeugt von diesen Nudeln sind. Stellt euch vor, Spaghetti mit ein paar kleinen Stückchen Rindfleisch, jeder Menge Koriander und einer großen Portion Chili werden in einer Suppe serviert. 

   Dishes:

Mit Dishes hat man definitiv die größte Vielfalt. Egal, welches Gemüse du dir vorstellen kannst – es existieren bestimmt mindestens zehn verschiedene Arten, es als Beilage zuzubereiten. Eine große Menge an diesen dishes, von denen sich an einem großen Tisch jeder nehmen kann plus eine Schale Reis oder Nudeln für jeden ergeben eine üppige Mahlzeit. Meine Lieblings-Dishes sind Tomaten mit Ei, Schweinefleisch süß-sauer, Aubergine, Brokkoli, Blumenkohl und Kartoffel in jeder Form. Gurke mit Zucker, Erdnüsse, Tofu und Mango sind allerdings auch sehr gut.

Wir sind mittlerweile gar nicht so schlecht darin, auch selbst dishes herzustellen. Dieses Foto ist bei einer unserer zahlreichen Kochaktionen mit Cathy entstanden. Wenn Cathy unsere Küche betritt, heißt das für uns mittlerweile: Papier und Stift raus! Dann schreiben wir Rezepte mit.

Dishes isst man mit Reis oder mit Nudeln. Latiaozi, traditionelle Nudeln, muss man ganz lang ziehen, bevor man sie in das kochende Wasser wirft: Je länger die Nudeln, desto länger das Leben, sagt man.


(Es ist allerdings echt nicht leicht, riesig lange Nudeln mit Stäbchen zu essen, sag ich euch.)

Isst man in einer größeren Runde, stehen die dishes meistens auf einer drehbaren Glasplatte. Man isst immer nur von dem Gericht, das gerade vor einem steht; größere Mengen an Essen auf der Reisschale zu „bunkern“, gilt als unhöflich.

Hot Pot:

In der Mitte des Tischs steht bei Hot Pot meist ein großer Pott kochender Soße. Die kann in verschiedenen Geschmacksrichtungen und Schärfegraden kommen. In diesen Pott werfen alle Esser verschiedenste rohe Lebensmittel – Pilze, Tofu, Brot oder Gemüse. Faustregel ist: Schwimmt es oben, ist es fertig gekocht.

     Baozi und Dumplings:

     Baozi sind warme Teigtaschen gefüllt mit Gemüse oder Fleischpaste, die hier ein typisches, billiges Frühstück sind. Ein baozi kostet knapp eine Yuan (15 Cent); von vier Stück wird man satt.

Dumplings sind dagegen kleinere Teigtaschen. Sie herzustellen ist Familienaufgabe: Mehrmals schon wurden Julia und ich eingeladen, mit Frauen mehrerer Generationen zusammen den Teig zu schneiden, auszurollen, mit kleingehacktem Gemüse oder Fleisch zu füllen und zuzudrücken. Das ist eine Kunst für sich: Meine ersten Dumplings sahen jämmerlich aus.

Malatang:

Malatang heißt übersetzt „feurige Suppe“. Bei der Bestellung sucht man sich eine Menge verschiedener Gemüse-, Tofu- und Brothäppchen aus, sammelt sie in einer Schale und gibt sie in der Küche ab. Dort werden sie in einer öligen, extrem scharfen Soße gekocht. Jedes Mal, wenn ich das Endprodukt rot vor Chili zurückbekomme, muss ich erst einmal schlucken. Malatang zu essen erfordert Übung für mich, die ich aus Deutschland nur extrem mildes Essen gewohnt war.

 

Oben in jedem größeren Supermarkt befindet sich eine große Restaurantmeile. Letztens haben wir Freiwilligen mittags dort bunt alle Arten an Essen in der Mitte gesammelt. Ganz unten seht ihr in scharfem Öl gekochten Malatang.

      Ich hoffe, ich konnte euch die chinesische Küche ein bisschen näherbringen. Deutsche Vorurteile – genährt durch deutsche China-Restaurants, deren Essen mit meinen Erfahrungen hier fast nichts gemeinsam hat, und das sich hartnäckig haltende Hunde-und-Katzen-Klischee – werden dem phänomenalen Essen hier einfach nicht gerecht.

 

Ganbei!

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Kommentare: 1
  • #1

    Bärbel Zeinert (Samstag, 26 Dezember 2015 00:42)

    Hallo Luise,
    danke für den informativen Kurs zum chinesischen Essen und weiter guten Appetit!